Nach starken Wachstumsjahren stagniert Österreichs Außenhandel 2023

22.02.2023

FIW präsentiert Jahresgutachten

Nach einer dynamischen Entwicklung 2022 erwartet der "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) für 2023 ein geringes Wachstum der österreichischen Exporte und Importe.

Das vierte Jahresgutachten des FIW zur "Lage der österreichischen Außenwirtschaft" wurde gemeinsam mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher vorgestellt. Das Jahresgutachten widmet sich den aktuellen internationalen Rahmenbedingungen für die österreichische Außenwirtschaft und der Handelsentwicklung im Jahr 2022. Darüber hinaus präsentierten die Studienautoren Harald Oberhofer (WIFO, WU Wien) und Robert Stehrer (wiiw) sowie die Studienautorin Bettina Meinhart (WIFO) kurz- und mittelfristige Prognosen für die zu erwartende zukünftige Entwicklung der österreichischen Außenwirtschaftsbeziehungen.

Das Jahr 2022 stand unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine und der darauffolgenden Energiepreiskrise. Haushalte und Unternehmen waren von den gestiegenen Energiekosten massiv betroffen. Ab dem 2. Halbjahr hinterließen der daraus resultierende Angebotsschock und die hohen Inflationsraten ihre Spuren in der Weltwirtschaft. Die österreichische Abhängigkeit von russischem Erdgas stellt die heimischen Haushalte, Unternehmen und die Politik vor besondere Herausforderungen. Der österreichische Außenhandel konnte sich unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen relativ gut behaupten, litt 2022 aber unter der deutlichen Verschlechterung der Terms-of-Trade, also einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Export- und Importpreisen. Die Preise für österreichische Warenexporte sind um 5,5 Prozentpunkte weniger stark als die Importpreise angestiegen. In reinen Mengen ausgedrückt haben sich die österreichischen Exporte dynamischer als die Importe entwickelt: Der Gesamtexport von Waren und Dienstleistungen stieg gemäß Prognose real im Jahr 2022 um 8,8%, die Importe nahmen um 5,1% zu.

2022 überwog der negative Terms-of-Trade-Effekt den Mengeneffekt, sodass sich 2022 die österreichische Handelsbilanz um 7,6 Mrd. € im Vergleich zum Jahr 2021 verschlechterte und ein Defizit von –20,5 Mrd. € aufweist. Die positivere Entwicklung der Dienstleistungsbilanz, welche durch eine massive Steigerung der Reiseverkehrsexporte (mehr Reisen von ausländischen Tourist:innen nach Österreich) getrieben wurde, konnte letztes Jahr das Handelsbilanzdefizit ausgleichen. 2022 ist die Leistungsbilanz mit 200 Mio. € im positiven Bereich.

Für 2023 prognostiziert der "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) ein Wachstum der Gesamtexporte in Höhe von 0,3%. Die Importe dürften heuer um 0,9% steigen. Vor allem durch die steigenden Importpreise – verursacht durch die Energiekrise – könnte Österreich 2023 das erste Mal seit 2001 eine negative Leistungsbilanz aufweisen. Das Defizit beträgt laut Prognose –1,8 Mrd. € (0,4% des BIP).

Im Jahr 2023 setzt sich die Verschlechterung der Terms-of-Trade auf Basis der Studienprognose mit einem Rückgang von 1% weiter fort. Die Warenexporte dürften um 0,1% zulegen, die Dienstleistungsexporte verzeichnen ein Wachstum von 1,2%. Die Gesamtimporte wachsen um 0,9%. Der Unterschied zwischen den Exporten und Importen ergibt sich aus einem höheren Dienstleistungsimportwachstum von 3,3%. Die Handelsbilanz könnte sich durch den weiteren negativen Terms-of-Trade-Effekt auf –23,3 Mrd. € verschlechtern. Dieses Defizit wird von den Dienstleistungsbilanzüberschüssen nicht mehr vollständig kompensiert werden können. Die österreichische Leistungsbilanz wird 2023 mit einem Abgang von –1,8 Mrd. € (0,4% des BIP) einen negativen Saldo aufweisen. 2024 sollte die Leistungsbilanz laut Prognose zu einem geringen Überschuss zurückkehren.

Das FIW-Jahresgutachten 2023 ist hier abrufbar und die Datenhänge stehen Ihnen hier zur Verfügung.
 

Publikationen

Robert Stehrer, Vasily Astrov, Bernhard Moshammer (wiiw), Harald Oberhofer, Bettina Meinhart, Yvonne Wolfmayr (WIFO)
FIW-Jahresgutachten. Die österreichische Außenwirtschaft 2023 (FIW Annual Report. Austrian Foreign Trade 2023)
FIW – Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft, Februar 2023, 76 Seiten, https://fiw.ac.at/fileadmin/Documents/Publikationen/Jahresgutachten-2023/FIW-AH-JG-2023-final.pdf
Auftraggeber: Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung – Johannes Kepler Universität Linz – Universität Wien – Leopold-Franzens-Universität Innsbruck – Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Rechenzentrum – Wirtschaftsuniversität Wien
Online seit: 22.02.2023 10:30
Das vorliegende FIW-Jahresgutachten widmet sich der aktuellen Entwicklung der
österreichischen Außenwirtschaft. Zunächst werden in Kapitel 2 die veränderten
internationalen Rahmenbedingungen dargestellt und diskutiert. Hierbei zeigt sich die deutliche globale Konjunkturabschwächung infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das globale Wirtschaftswachstum betrug 2022 moderate 3,4%. Hohe Rohstoff- und Energiepreise belasten die Produktion, die notwendigen geldpolitischen Straffungsmaßnahmen verschlechtern das Investitionsklima und dämpfen die globalen ausländischen Direktinvestitionsaktivitäten. Die Prognose für die Jahre 2023 und 2024 spiegelt den globalen Konjunkturabschwung, der sich in den letzten Monaten bereits abgezeichnet und 2023 vorsetzen dürfte, wider. Laut Prognose wachsen die Exporte von Waren und Dienstleistungen real im Jahr 2023 um lediglich 0,3%.
Rückfragen an

Univ.-Prof. MMag. Dr. Harald Oberhofer

Forschungsgruppe: Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie

Bettina Meinhart, MSc

Forschungsgruppe: Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie
© Enzo Holey
© Enzo Holey